Jeden Tag aufs neue hofft man darauf, dass der neue Tag besser wird als der vorherige. Man nimmt sich etwas vor und sagt sich mental, heute wird es gehen. Heute hast du Spass und geniesst.
Selten unternehme ich etwas, dass mir früher viel Freude bereitet hat. Früher war alles anders. Früher hat man oft Dinge unternommen, an denen man Freude hatte. Man hat sich keine Gedanken darüber gemacht, ob der geplante Ausflug anstrengend werden könnte. Ob man die Fahrt übersteht. Ob man alles Essen kann, was man unterwegs so bekommt.
Ich habe es geliebt mit meinen Kindern stundenlang Zug zu fahren, am Strand entlang zu spazieren, in den Wald zu gehen, mit meinen wenigen Freunden shoppen zu gehen und einfach entspannt die gemeinsame Zeit zu geniessen.
Heute ist alles anders.
Nach nun mehr fast 2 Jahren ist auch mein Kraftvorrat nur noch schwindend gering. Kurz vor dem Zero. Einfach entspannt frühstücken gehen? Entspannt spazieren gehen? Lange Ausflüge machen und dafür den Zug nutzen? Schön wäre es. Selbst mein letzter Strohhalm, das Fahren im Auto, wo man theoretisch gut mal irgendwo halten könnte, wenn man eine Pause benötigt, funktioniert nur noch innerorts für kurze Zeit.
Am Ende bleibt nur noch der Fussmarsch.
In meinem Blog über Asperger Autismus schrieb ich damals, dass ich es liebe zu Fuss zu gehen. Ich geniesse es während dessen Musik zu hören und die sich wandelnde Landschaft zu beobachten. Nur mittlerweile wird dieses doch wundervolle Erlebnis, welches ich früher täglich genoss, für mich zur Tortur.
Ich laufe unter Schmerzen. Und am Ende des Tages, schlafe ich schmerzerfüllt ein. Ich gewöhne mich daran.
In den letzten fast 2 Jahren war es sehr schwierig damit umzugehen. Die Nächte wurden wach verbracht und die Tage waren komplett verplant. Irgendwann musste ich die Notbremse ziehen. Einen Monat lang nahm ich Tramadol ein, um wieder zu Kräften zu kommen, doch selbst das half am Ende des Monats nicht mehr.
Also setzte ich es wieder ab. Warum etwas einnehmen, was nicht mehr half?
Glücklicherweise hatte mir die Zeit, in der ich dadurch schlafen konnte, gereicht, um wieder klar zu kommen.
Schlaf ist immer noch ein Thema. Ja. Ich gewöhne mich an die unruhigen Nächte, daran immer und immer wieder zu erwachen, spät schlafen zu gehen und früh wieder auf zu stehen. Die Müdigkeit begleitet mich den gesamten Tag. Aber ich lasse nicht zu, dass sie mir mein Leben diktiert.
Mich selber zu beobachten, wie sehr mein Leben sich gewandelt hat, seit dem ich Morbus Behcet meinen Begleiter nenne, bzw. Er sich bei mir bemerkbar gemacht hat, ist durchaus interessant. Es kosten mich viel Kraft und ich schaffe es nicht alleine da durch, doch ich habe gemerkt, dass es tatsächlich Menschen gibt, denen ich so wichtig bin, dass sie mir durch diese Zeit helfen.
Entspannt frühstücken oder shoppen zu gehen funktioniert zwar so nicht mehr, aber meine Freunde denken für mich mit. Sie passen sich mir an, helfen mir und pausieren mit mir, wenn ich nicht mehr kann. Und das in jeder Hinsicht. Dennoch lasse ich nicht zu, dass mein Körper mir Grenzen setzt, ich akzeptiere das nicht. Ich will immer noch ich sein können.
Ich laufe viel, nicht mehr täglich, nicht mehr so weit wie früher und ich bin dabei nicht die Geschickteste und Schnellste, aber ich zwinge meinen Körper, die von ihm gesetzten Grenzen zu erweitern. Nach und nach.
All das schaffe ich aber nur, weil ich ärztlich in so denke und hoffe ich guten Händen bin.
Doch momentan befinde ich mich wieder in einer Phase in der ich am Rand der Verzweiflung bin.
Nicht mental, besser gesagt, es nimmt Einfluss, aber das ist nur natürlich.
Zu spüren, wie der eigene Körper abbaut, obwohl man selbst alles versucht ihn aufzubauen ist furchtbar anstrengend und beängstigend.
Ich denke ärztlich wird das schnell verkannt.
Es ist schwierig für mich, gerade bei neuen Ärzten, klar zu stellen, dass ich anders bin.
Während die meisten Menschen in meiner Umgebung schon lange via RTW stationär lägen oder am Boden kriechen, bringe ich das letzte bisschen mentale und körperliche Kraft auf und laufe. Ich laufe. Und wenn ich sage, dass meine Schmerzen sich auf der Schmerzskala bei 7 bis 10 schwankend aufhalten, denken die meisten Ärzte, dies sei unmöglich, denn man sieht es mir nicht an.
Erst kürzlich nach meiner ESWL meiner linken Niere habe ich dies wieder erleben müssen. Ich hatte wahnsinnige Schmerzen. Auf der Skala eine 15! Ich habe es nicht ertragen, selbst mit Schmerzmitteln, die mir gewöhnlich halfen, ging es nicht. Und wer mich kennt, weiss, dass es schon übermäßig schlimm sein muss, wenn ich von mir aus sage, ich will ins Krankenhaus.
Die Blicke und Reaktionen dort: UNGLAUBEN!
Immerhin kam ich selber! Ohne RTW, zwar unter Erbrechen und mit starken Kreislaufproblemen, aber ich lief ins Krankenhaus. Ich sah aus wie eine lebende Tote, aber ich stand auf meinen eigenen zitternden Beinen und konnte mit ruhiger Stimme erklären, was los ist. Es ist schwierig mit mir, ich bin kompliziert. Was soll ich dazu sagen?
Es hat seinen Grund, warum ich vorallem bei Erstkontakten mit Ärzten, Ämtern und Co. immer mit einer Begleitperson bzw. einem Intimitätsbeistand auftauche. Denn die Menschen mit denen ich dann hin komme wissen wie es mir geht und können dann berichten und erklären.
Die meisten Menschen brauchen eine ganze Weile, um mich einschätzen zu können. Das schaffen nicht alle. Aber einige wenige. Einige wenige, die mir ansehen, dass es mir schlecht geht, noch ehe ich dies bestätigen kann. Ja, ich neige dazu, alles herunter zu spielen, weil ich mich selber anders wahr nehme. Es amüsiert mich ehrlich gesagt immer sehr, wenn zum Beispiel bei einer körperlichen Untersuchung wie Abtasten, ich beobachtet werde auf jedwede Äusserung von Schmerz auf Berührung. Was ich empfinde zeigt sich oft nicht in meiner Mimik, ich kann es aber verbal äussern, was aber neist nicht erfragt wird in dieser Situation, so dass es dementsprechend dann von dem Behandler auch unterschätzt werden kann.
Mit mehr als einer Erkrankung zu leben, die sich gegenseitig stören, kann viel zusätzliche Kraft kosten.
Alles, was ich täglich mache, kostet mich enorm viel Kraft.
Mein Wille, die Kontrolle zu behalten, ist stark, aber auch er leidet darunter.
Alles leidet unter dieser enormen Aufbringung von Kraft.
Mein Haushalt ist nicht so top, wie ich es gerne hätte, meine familiären und freundschaftlichen Aktivitäten müssen sich meiner spontanen Laune anpassen und ich hasse SPONTAN. ICH BIN EINE PLANERIN. Ich kann mich körperlich nicht so betätigen, wie ich es gewohnt war und geliebt habe. Und jeder Gang zum Arzt, jede Erklärung, Wartezeiten und Ungewissheiten wird von Tag zu Tag schwerer für mich.
Ich mag einfach nicht mehr. Ich mag nicht Hinterherlaufen und Zurückstecken. Ich mag nicht mehr ewig alles von Vorne erklären müssen, Berichten hinterherlaufen, nachtelefonieren (oh wie ich es hasse zu telefonieren).
Ich möchte mein Leben wieder zurück. Ich möchte wieder Aktiv sein. Aber nichts geht mehr. Absolut gar nichts.
Alles hat sich verändert und ich komme mit Veränderungen nur sehr schlecht klar.
Ich vergesse Dinge, ich lasse ständig etwas fallen, ich stolpere umher, weil mir immer wieder die Kraft aus den Beinen (wie Armen) weicht. Ich bin permanent müde und am liebsten würde ich 5 Mal am Tag duschen, weil jede Bewegung so anstrengend ist, dass ich Angst habe, ich könnte zu sehr schwitzen. Alles ist schwer für mich und was ich am allermeisten verabscheue und nicht wirklich Willens bin mich damit abzufinden, ist die Tatsache, dass ich mittlerweile bei fast allem, was ich mache, auf die Hilfe anderer angewiesen bin, weil ich nicht mehr die Kraft habe, es selbst zu machen.
Alles, was ich mir mühsam aufgebaut habe machen Morbus Behcet und Co. mir kaputt. Und zu wissen, dass es therapeutisch / medizinisch nur sehr schleppend langsam vorwärts und auf wieder rückwärts geht macht es mir mittlerweile nicht mehr leicht darauf zu hoffen, dass ich mein Leben, wenn vielleicht auch verändert, irgendwann einmal zurück bekomme.
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