Manchmal habe ich meine Momente. Momente in denen ich mich verschliesse, nur für mich bin und über viele Dinge nachdenke.
Manchmal ist im Moment wieder sehr oft.
Eines der Dinge über die ich nachdenke ist: Wann hat das alles tatsächlich angefangen? Ich meine damit nicht, wann ich aufgrund von Schmerzen den Arzt, meinen Orthopäden, aufgesucht habe. Nein, ich meine den Augenblick, diesen einen Moment an dem einen klar wird: "Etwas stimmt nicht mit Dir!" Ich meine damit abgesehen von meiner Aspergerdiagnose. Ich meine Körperlich.
Wann hatte ICH diesen Moment? Und wie kam es dazu? Gab es Zeichen, die ich nicht bemerkt habe, gar falsch gedeutet?
Sicher gab es Anzeichen und ja ich habe sie falsch gedeutet oder ihnen keine Bedeutung beigemessen. War das ein Fehler? Hätte das etwas verändert?
Ich wuchs mit dem Gedanken auf, dass es normal wäre hier und da Schmerzen zu haben. Hiess es doch oft: Wachstumsschmerzen, Migräne, zu wenig getrunken, das falsche gegessen oder zu wenig oder auch mal zu viel. Und mit meinem Ausschlag, ich war halt noch jung: Akne, Sonnenallergie, Herpes (was ich ja auch tatsächlich schubweise habe, aber genau weiss, wie dieses sich bei mir äussert).
Es gab oft Situationen und Zeiten in denen in mir die Alarmglocken schrillten. Nierenkoliken zum Beispiel. Ich weiss, dass ich damit seit meinem 14. Lebensjahr immer mal Probleme hatte, alle paar Monate, selbst in den Schwangerschaften. Es ist natürlich gut möglich, dass ich schon öfter Steine hatte, die aber dann spontan abgingen. Aber darüber habe ich mir bis heute nie Gedanken gemacht. JETZT fragt man natürlich danach.
Genauso habe ich in all den Jahren ALLE Wunden am Mund immer für Herpes gehalten. Jetzt, wo ich mich dem Thema Aphten, die ich sehr wohl öfter genital hatte und sehr schmerzhaft waren, gewidmet habe und den offensichtlichen sichtbaren Unterschied zwischen Herpes und Behcetaphten kenne, weiss ich, dass ich sie wohl doch schon länger und öfter hatte, auch zumindest vorne in der Mundschleimhaut. Heute betrachte ich Fotos, von denen es von mir von früheren Zeiten eher selten welche gab, mit anderen Augen. Es gibt tatsächlich leider mit mangelhafter Qualität Fotos von mir, auf denen Aphten und nicht, wie damals unwissend betrachtet, Herpesbläschen zu sehen sind. Nennt sich dann halt herpetiforme Aphten.
Nichts daran ändert das Fakt, dass ich bis vor 2 Jahren noch eher mit harmloseren Auswirkungen meiner Behcet-Erkrankung zu tun hatte. Heute sieht das ganze natürlich anders aus.
Vor meiner 1. Schwangerschaft gab es damals ebenfalls schon einmal ein deutliches Warnsignal meines Körpers. Es war eine Gürtelrose, die aber ungewöhnlich in der Reihenfolge entstand. Ich war zu diesem Zeitpunkt 7 Tage die Woche 2 bis 5 Stunden am Tag im Fitnessstudio unterwegs neben meiner Arbeit. Von Aufwärmtraining an Geräten über Hydraulikgeräte zum Fettabbau und Muskelaufbau bis hin zu Kursen wie Stepaerobik, Bauch-Beine-Po und Yogakurs und Entspannung in Infrarottiefenwärmekabine und Solarium war alles dabei. Kurz vor meiner Notfallbehandlung im UKSH (Dermatologie) bekam ich damals über einen längeren Zeitraum (ca 5 Wochen durchgehend) Muskelkaterartige Schmerzen im rechten Oberschenkel. Am Tag meiner Notfallbehandlung hielt ich auf der Arbeit die Schmerzen nicht mehr aus. Mein Oberschenkel brannte urplötzlich wie Feuer. Meine Arbeitskollegen schauten nach dem Problem und so landete ich in der Notaufnahme, denn ich hatte einen Feuerroten Ring mit Ausschlag um den fast gesamten Oberschenkel. In der Klinik war man sich zuerst nicht sicher, ob es ein Herpesausbruch war und in der Dermatologie war es dann zumindest Fotos nach zu urteilen eine Gürtelrose. Ungewöhnlich war der Verlauf eher deshalb, weil ich zuerst lange Schmerzen hatte und erst danach der Ausschlag kam (laut Lehrbuch ist es aber neist umgekehrt der Fall bzw. Schmerzen sind eher selten, wenn man das ganze schon verschleppt hat.) Damals erklärte mir der behandelnde Dermatologe, dass das in meinem Alter (24 Jahre) eigentlich eher ungewöhnlich ist, es sei denn man hat eine Autoimunerkrankung!
Ich ging dem nicht nach.
Das Problem wurde behandelt und verschwand halt und ich ging meinen Tätigkeiten weiter nach.
Auch in den Schwangerschaften lief nicht alles nach Plan, aver auch hier war eigentlich das Augenmerk nur auf meine Kinder gerichtet, daher stand ICH eben nicht auf dem Plan als möglicher "Auslöser".
Hätte sich etwas verändert, wenn ich vorweg gewusst hätte, dass ich krank bin? Womöglich? Ich bin mir nicht sicher. Ich bin froh Kinder bekommen zu haben, sie sind mein grösstes Glück. Hätte ich damit leben können auf Kinder zu verzichten aus Angst ihnen womöglich etwas zu vererben oder auch nicht?
Ich denke eher nicht, denn sie waren ein tiefer Herzenswunsch.
Aber um solche Dinge geht es ja im Grunde auch nicht. Viel mehr interessiert mich die Frage: Hätte es mir oder einem meiner Ärzte im Verlauf mal auffällig vorkommen müssen? Hätte man schon da tiefgehend nachprüfen sollen?
Ich denke, dass sich in heutiger Zeit, wo es auch oft um Prävention von Erkrankungen geht, eigentlich schon ein Signal bei meinen Ärzten melden müssen, dass sagt:"Achtung!". Zum Teil geschah dies auch. Aber nicht auf mich bezogen, sondern bezüglich meines Erstgeborenen. Denn er ist anders! Wie man damals dachte, nur er! Anders Anders.
Als meine Tochter zur Welt kam wusste ich sofort, dass bei ihr etwas ungewöhnlich ist, an ihrem Verhalten! Aber alle hielten sie für normal und gesund, abgesehen von einer leichten emotional-sozialen Störung. Jetzt weiss ich, weil ich darauf gedrängt habe, dass sie nicht gesund ist. Und alles, was sie in all den Jahren durchmachen musste, erklärt sich schlagartig.
Meine letzte Schwangerschaft brachte am Ende die Wende. Seit dem standen zumindest Fragezeichen auf der Stirn einiger Ärzte. Zumindest wurde auf eine neurologische Untersuchung gedrängt und schon allein diese hat Änderungen in die Wege geleitet.
Verändert hätte sich wohl sicher nicht viel. Denn auch wenn es damals Anzeichen gab, so waren diese nie zuvor so deutlich wie heute. Vor knapp 2 Jahren als die Diagnostik began, war ich ein Rätsel. Ein Rätsel, dass anfangs einfach zu lösen schien, ehe immer mehr Fragezeichen die Lösung in die Ferne rücken liessen.
Die Kernaussage ist hier bei jedem doch die gleiche: Bei so vielen verschiedenen Symptomen und Zusatzauffälligkeiten ist es schwer, jedes Symptom einer einzigen allumfassenden Krankheit zuzuordnen.
Es sind verschiedene und Behcet ist nur ein Teil der Antwort. Ein Teil, nicht für sich alleine zu behandeln, denn jede andere Erkrankung muss immer mit einbezogen werden. Und trotz all des Leids, der Hölle, die ich täglich erleben muss, denke ich mittlerweile, niemand hätte damals eine Antwort geben können, weil zu viele Teile gefehlt hätten. Womöglich wäre ich Jahrelang fehl behandelt worden.
Ich lese viel und kann durch mein heutiges Wissen sehr gut verstehen, warum es mitunter bis zu 10 Jahren dauern kann, bis eine Enddiagnose steht.
Bei mir ist sicher heute noch einiges unklar. Zumindest mir. Es gibt noch Ungereimtheiten.
So ist zwar bei Behcet die Rede davon, dass kleinste Gefässe, Vaskulitis eben, betroffen sind, aber ich konnte keinen direkten Zusammenhang zwischen Fadengranulomen / Granulozyten herstellen, dies passt eher zu Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener Granulomatose; Morbus Wegener....), was auch mein Rheumatologe mir damals mit teilte.
Ich bin sicher noch nicht am Ende angekommen, daher ist es vielleicht gut, dass ich ungefähr Wissen darüber habe, was ich wann schon einmal hatte oder auch nicht. Aber früher zu handeln wäre wohl kaum bei den gängigen Standarduntersuchungen möglich gewesen oder aber auch nötig.
Es gibt natürlich Dinge, die ich mit heutigem Wissen, schon lange vorher hätte umsetzen können, um mir das Leid der Umstellung jetzt in einer aktiven Krankheit zu ersparen. So zum Beispiel hätte ich schon vor Ewigkeiten umstellen können auf glutenfreie Ernährung. Zwar habe ich es jetzt zwar auch gemacht, aber jetzt war es eher ein Versuch aus Not heraus und eine gewaltige Anstrengung, weil ich momentan so viele Baustellen habe, dass mir an manchen Tagen wirklich die Kraft fehlt mich daran zu halten und dann mit der bösen Konsequenz starker Bauchschmerzen zusätzlich umgehen muss.
Kann man eigentlich Glutenunverträglich sein, auch wenn dies nicht durch Biobsien erwiesen wäre? Wäre gerade für mich eine interessante Fragestellung. Denn ohne Gluten geht es mir vom Bauchschmerz her wie beschrieben viel besser.
Ob es mit getestet wurde, weiss ich allerdings nicht.
Ich stelle mir viele Fragen. Und auf viele Fragen werde ich sicher nie eine Antwort erhalten. Es sind ja auch nicht nur Fragen, die sich um Vergangenes drehen, sondern auch viele, die sich erst für die Zukunft neu stellen. Und innerlich ist das sehr aufregend. Mit jedem Schub, jeder Erkrankung, jedem Erfolg kommen neue Fragen auf, man ist noch aufgeregter.
Nach meiner Erstuntersuchung in der Rheumatologie im UKSH im Februar, habe ich einen nächsten Termin dort im April. Wieder weiss ich nicht, wem ich gegenüber sitze, welche Fragen kommen, was an diesem Tag bei diesem Termin auf mich zukommen wird. Und das Nichtwissen lässt mein Inneres sehr unruhig werden.
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