Der Alltag mit einer oder mehrerer chronischer Erkrankungen ist nicht einfach. Noch schwerer wird es, wenn man eigentlich keine Zeit und nicht die nötige Kraft hat, sich damit auseinander zu setzen.
So ist es auch bei mir. Im Prinzip ist es zwar schwierig, man hat eben Leidensdruck, mit einer eigenen Erkrankung umzugehen, wenn man aber dann noch Angehörige hat, die krank sind und um die man sich zu kümmern hat, wird es kompliziert. Der Alltag muss noch genauer geplant werden.
Nicht alle chronisch kranke Menschen haben das Glück einen Partner zu haben, der sie unterstützt. Zumindest habe ich einen Solchen. Und auch der Freundeskreis schrumpft stark ein, wenn man nicht mehr in der Lage ist, spontan zu sagen, lass uns doch mal treffen.
Wenn man ohnehin, aufgrund anderer Umstände, wie behinderter Kinder, nur einen kleinen Freundeskreis hat, findet man schnell heraus, wer zu seinen wirklich engen Freunden gehört.
Es ist enorm wichtig für einen chronisch kranken Menschen zu wissen, wer einen auch dann noch zu schätzen weiss, wenn man nicht mehr spontan etwas unternehmen kann.
In meinem Alltag, vor meinen chronischen Erkrankungen, war meine Situation schon keine leichte. Es gab einige Erlebnisse zu verarbeiten und ohne externe Hilfe war dies kaum zu schaffen. Doch jede Situation beruhigt sich einmal und man lernt im Laufe der Zeit auch mit gewissen Umständen zu leben und sie zu akzeptieren.
Ein weiser Mann sagte einst, man wachse mit und an seinen Erfahrungen. Und das kann ich durchaus verstehen und bestätigen.
So manches Mal saß ich vor Fachleuten, Pädagogen und Weiteren und man sagte mir, dass es wohl sehr schwierig und vorallem anstrengend sein müsse, mit einem behinderten Kind, einem Kind mit sehr starken Bedürfnissen, zu leben. Doch heute sage ich meist, dass es sicher nicht einfach ist, aber wenn man es nicht anders kennt, man es anders wahr nimmt, leichter damit klar kommt. Es ist im Prinzip kaum der Rede wert, auch wenn es einen unbewusst doch trotzdem beeinflusst.
Ich hatte meine festen Riten, meinen strukturierten und funktionierenden Tagesablauf. Und Ärzte besuchte ich nur im allernötigsten Fall. Und das war abgesehen von Schwangerschaftsüblichen Arztbesuchen und Zahnärztlichen Behandlungen in der Zeit von 2004 bis 2014 der Fall. In dieser Zeit besuchte ich im Prinzip keinen Arzt, zu dem ich nicht aufgrund schwerwiegender Probleme gehen musste.
Und dann kam dieser Bruch im Jahr 2014.
Anfangs redete ich mir ein, dass alles harmlos sei, ich hatte zeit meines Lebens oft Probleme im gesundheitlichen Bereich und es waren immer aus meiner Sicht harmlose Dinge.
Prellungen, Brüche, Anbrüche, Bänderrisse, Schnittwunden, Grippe und Migräne waren für mich Normalität.
Ich hatte eine Weile lang wieder aktiv Sport betrieben und war nach langer Erziehungszeit wieder beruflich tätig an einem für mich idealen Arbeitsplatz. Im Prinzip ging es also eigentlich endlich aufwärts in meinem Leben, worüber ich sehr froh war.
Mein Körper sah dies allerdings anders. Er wollte mir nicht mehr gehorchen.
Wie man aus meiner Krankenvita erlesen kann, began es mit dem rechten Sprunggelenk. Ich ging zum Orthopäden und er stellte fest, dass Gelenk sei instabil und müsse trainiert werden.
Mit Bandage und Übungsanleitungen zur Stärkung des Gelenkes ging ich wieder heim. Ich befolgte die Anweisungen und tatsächlich wurde es besser, so dass ich im Verlauf dann auch nur noch im Sport auf die Bandage zurück greifen musste.
Knapp 7 Monate vergingen ohne weitere Probleme und ich began statt wie bisher meine 12km pro Tag zu laufen, wieder Fahrrad zu fahren. In der ersten Woche war auch alles prima, die Beine wurden insgesant gesehen stark entlastet. Doch dann schwoll während ich auf der Arbeit war plötzlich mein linker Fuss an, was dann dich sehr schmerzhaft wurde. Ich wurde daher wieder bei meinem Orthopäden vorstellig. Das Fazit war eine Sehnenentzündung und Fersensporn. Ich sollte den Fuss schonen, kühlen und Ibuprofen als Entzündungshemmer nehmen mit den Worten, es könne ein paar Wochen dauern, bis es besser werden würde.
Dich nach 5 Wochen war keine Besserung eingetreten, statt dessen tat bis dahin dann das gesamte linke Bein weh.
Ich ging also abermals hin und bekam Physiotherapie verschrieben mit den Worten, es könne vom Becken kommen.
Während der Zeit der Physiotherapie verschlimmerte sich der Zustand. Ich verlor die Kraft in den Beinen, beide Beine schmerzten und ich musste meine übliche Laufstrecke immer weiter einschränken, bis ich dann nach 4 Monaten von 12km täglich runter war auf 50m am Tag, die ich nur mit Hilfe meines Mannes als Stütze bewältigen konnte.
Mein Orthopäde und mein Physiotherapeut sprachen erstmals den Verdacht Rheuma aus und ich wurde nach langer Zeit erstmals wieder bei meinem Hausarzt vorstellig. Nicht die Schmerzen machten und machen mir zu schaffen im Alltag. Es ist der Verlust meiner körperlichen Kräfte. Ich war schon immer auch in Zeiten des Übergewichts nach und während den Schwangerschaften sportlich. Immer zu Fuss gelaufen. Und 12km am Tag waren kein Kraftakt für mich sondern Routine, aber plötzlich nur noch unter Aufbringung seiner letzten Kraftreserven mit viel Anstrengung eine Strecke von 50m gehen zu können, in einem Tempo, bei dem 90 Jährige mit Rollator einen sogar überholten, brachte mich innerlich aus meinem Gleichgewicht. Nicht zu wissen, was da urplötzlich mit einem geschah, war eine Zerreisprobe für meine Nerven.
Nachdem mein Hausarzt dann einige Tests machte war er sich nicht mehr sicher, ob es wirklich Rheuma war, daher überwies er mich zunächst zu meinem Neurologen. Dieser wusste aber nach einigen Tests auch nicht, was er davon halten sollte, und so entschieden sich mein Neurologe und mein Hausarzt doch erst einmal wieder das Thema Rheuma in Angriff zu nehmen.
Ich hatte Angst. Das gebe ich gerne zu.
Ich bekam relativ schnell einen Termin bei meinem Rheumatologen. Es wurden einige Untersuchungen gemacht, doch auch er war sich unsicher darüber, was es sein könnte und schickte mich, da wir nun mittlerweile Sommer hatten und ich übersät war mit papulopustolösem Ausschlag, den ich für meine von Geburt an vorhandene Sonnenallergie hielt, die ich aber nie zuvor so extrem an mir fest gestellt hatte.
Mein Dermatologe und ein Kollege begutachteten die Pusteln und stellten einige Fragen. Ich bekam eine Cortisonsalbe und sollte meine Sonnencreme wechseln.
Etwa eine Woche später rief mein Rheumatologe mich dann wieder an und bat mich in die Praxis, um eine weitere Blutuntersuchung zu machen.
Und kurze Zeit darauf dann noch einmal, um einen Pathergie-Test (Katzenellenbogentest) durch zu führen, ehe er mir mitteilte, dass es seiner Meinung nach Morbus Behcet ist, was mich so quälte.
Natürlich war in der Zwischenzeit der Diagnostik einiges geschehen, es waren neue Symptome dazu gekommen und andere, wie meine ständigen Augenentzündungen und Harnwegsinfekte hatten sich sehr manifestiert.
Ich habe seit Jahren immer mit Aphten zu tun gehabt, immer nur auf den Lippen und Genital. Sie waren für mich aver nie ein Grund gewesen zum Arzt zu gehen, da ich auch Herpes schon immer hatte und offene Wunden an den Lippen gewöhnt war. Zu erfahren,
dass Aphten das Hauptsymptom von MAB sind und dass diese für andere ein Grund sind, starke Medikamente einzunehmen, verwirrte mich zunächst. Ich traute mich eigentlich nie zum Arzt damit, weil es mir doch arg peinlich war und ich sie auch nicht als so schlimm schmerzhaft erlebt hatte.
Im Juli 2015 began meine Therapie zwecks MAB. Ich bekam Methotrexat 17.5mg und Folsäure verschrieben. Die Hoffnung war, dass Haut-, Augen- und Schmerzprobleme sich damit auflösen würden. MTX braucht ca 3 bis 6 Monate ehe es eine volle Wirkleistung hat, somit hiess es also zwangsläufig warten.
Ich hatte bis zuletzt arg mit den Nebenwirkungen zu kämpfen. Anfangs nahm ich auf 17.5mg MTX am Folgetag 15mg Folsäure. Das Fazit war, dass ich 3 Tage am Stück nichts essen konnte. Nachdem die Folsäure dann auf 20mg erhöht wurde, war es zwar nir noch 1 Tag, aber an den anderen Tagen hatte ich dann keinen Apettit oder bekam aufgrund von Übelkeitswellen und Kreislaufproblemen nur sehr geringe Mengen zu Essen in mich hinein und in den meisten Fällen waren das nur Eintöpfe und Suppen. Doch die gewünschte Wirkung liess leider auf sich warten. Während mein Gewicht stetig abfiel, nahmen Leberwerte zu und immer Mal wieder gab es hier oder da Blutwerte die auffielen, aber nicht konstant auffällig waren. Und anstatt einer Besserung meiner Symptome nahmen die Probleme in Schüben von 1 Monat Abstand immer weiter zu und meine gesundheitlichen Probleme damit auch.
Aus meiner Krankenvita kann man in etwa sehen, wie sich im letzten Jahr die Probleme verschlimmert haben.
Mittlerweile habe ich selber heraus gefunden, ich weiss nicht, ob und wie genau man das auch testen kann, dass ich neben Unverträglichkeiten und Allergien, die ich von Geburt an hatte oder sich im letzten Jahr deutlich zeigten, scheinbar auch Glutenunverträglich bin.
Am 01.01.2016 habe ich meine Ernährung bis auf seltene Ausnahmen auf glutenfrei umgestellt, seitdem quälen mich seit langem ertragene Bauchschmerzen so gut wie gar nicht mehr. Das es scheinbar diese Unverträglichkeit ist, lässt sich bei mir dadurch erkennen, dass an Tagen, an denen ich dich mal auswärts Glutenhaltige Lebensmittel esse, sofort wieder Bauchschmerzen oder aber das Gefühl einer reissenden Speiseröhre bekomme. Deutlich spürbar beim Verzehr von gekauften Brötchen zum Beispiel.
Wie es nun weiter geht, das weiss ich nicht, im Moment ist alles aus dem Ruder, ich selber habe das Gefühl gesundheitlich am Ende zu sein. Meine Hoffnung sind neue Medikamente, die dann hoffentlich eine Besserung mit sich bringen. Derzeit schaffe ich meinen Alltag fast gar nicht mehr, bin ewig nur unterwegs zu Arztterminen / Klinikbesuchen, und mein Mann musste faktisch 85% aller meiner Aufgaben im Haushalt und bei den Kindern übernehmen, weil ich keine Kraft mehr dafür habe.
In den letzten 11 Jahren war es so, dass praktisch alles ausser Einkauf und im Wechsel kochen ich in meinem Haushalt erledigt habe, nebst Ehrenamtluchen Tätigkeiten. Mittlerweile muss vieles ruhen oder von meinem Mann getragen werden, und nichts ist so, wie ich es gerne hätte. Und dieser Aspekt ist für mich innerlich zusätzlich quälend. Es stimmt mich nicht depressiv, falls es nun Menschen gibt, die es so empfinden, wenn sie meinen Text lesen, nein es macht mich nicht traurig, es verärgert mich.
Denn diese Erkrankung nimmt mir meine Selbständigkeit, macht mich vollends abhängig von meiner Familie, meinen Freunden und davon, wie gut oder schlecht meine Ärzte sich verstehen und zusammenarbeiten. Und Abhängig zu sein von anderen Menschen ist nicht gut für mich. Ich fühle mich damit nicht wohl.
Natürlich bin ich Dankbar, dass trotz Differenzen zwischen einigen meiner Ärzte, alles seinen Weg geht, dennoch gehen mir diese Dinge ebenfalls durch den Kopf, belasten mich, weil ich nicht weiss, wie und ob ich die Probleme zwischen ihnen bereinigen sollte und oder kann und wenn sie hier mit lesen, denke und hoffe ich auch, dass sie wissen, dass sie gemeint sind. Immerhin habe ich beiden zu verdanken, dass ich heute nicht mehr gänzlich unwissend bin, beide haben alles in ihrer Macht stehende getan, um mir zu helfen und auch wenn sie es vielleicht nicht sehen, so habe ich aber diesen beiden Ärzten doch sehr zu verdanken, dass es mir jetzt nicht noch wesentlich schlechter geht. Gemeinsam haben sie es geschafft, mir zu helfen und ich habe das Gefühl, dass sie dies nicht sehen, aber sehen sollten.
Ich bin natürlichen sehr Dankbar für meine Ärzte, für meine Familie und für meine Freunde, die alle ihr möglichstes tun, um mich zum Lachen zu bringen, mich abzulenken, mich zu informieren und gemeinsam mit mir an Strategien arbeiten, um eine stetige Verbesserung meiner Situation zu bewirken.
Ich bin insbesondere meinen beiden engsten Freundinnen dankbar, die beide ihr eigenes Leben mit ihren eigenen Problemen so sehr verändert haben, nur um in dieser für mich sehr schweren Zeit dennich für mich da zu sein. Die sich Zeit nehmen, mich zu begleiten, aber auch einfach mal mit mir einen Kaffee zu trinken und mich aufbauen. Solche Freunde zu haben konnte ich mir damals nie vorstellen und heute möchte ich beide nie mehr missen.
Auch bin ich dankbar für meine Freunde aus der MAB Gemeinde, die mir in kurzer Zeit sehr ans Herz gewachsen sind und ein offenes Ohr für meine Probleme haben, obwohl es ihnen selbst schlecht geht. Wir sind nicht viele, aber ihr seit sehr wichtig für mich und gemeinsam schaffen wir es dieser Erkrankung den berühnten Mittelfinger zu zeigen.
Mein Alltag ist massiv eingeschränkt und kaum jemand sieht mir wirklich an, wie schlecht es mir tatsächlich geht, aber diejenigen, die es bemerken, helfen mir, wo sie können und dafür bin ich dankbar.